Eishockey-Jahrbuch 1990

Eishockey-Jahrbuch 1990

Klaus-Peter Knospe

Offizielles Jahrbuch des Deutschen Eishockey-Bundes
in Zusammenarbeit mit der Redaktion des SPORT-Kurier

(c) 1990 Copress Verlag München, ISBN 3-7679-0322-9

Eintracht Frankfurt:
Im Schatten des Fußballs

Die Eintracht und die Finanzierbarkeit des Bundesliga-Eishockey in Frankfurt - das ist in der Tat ein Kapitel für sich. Spötter werden behaupten, dies eine „Unendliche Geschichte“ zu nennen, wäre viel eher angebracht. Doch bald schon könnten die Konturen dieses Bildes verschwimmen. Unendlich ? Nein. Wahrscheinlicher ist, daß es erstklassiges Eishockey in Frankfurt bald nicht mehr geben wird, zumindest unter den bisher noch gegen alle Gefahren schützenden Schwingen des Eintracht-Adlers nicht.

Wer für diese kühne Prognose einen Beleg haben möchte, der lese nur die Antwort verantwortlicher Frankfurter Präsidiumsmitglieder. Schatzmeister Wolfgang Knispel auf die Frage, wie er reagieren würde, wenn sich eine Gruppe von Interessenten entschlösse, die Eishockey-Abteilung aus dem Großverein herauszulösen, und einen eigenen Klub aufmachen würde: „Mir wäre eine große Sorge genommen.“ Und gleich der Zusatz: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß es Leute gibt, die so etwas machen würden.“ Auch Eintracht-Präsident Matthias Ohms stünde einem solchen Ansinnen nicht grundlegend ablehnend gegenüber: „Allerdings wäre in einer solchen Frage nicht ausschlaggebend, was der Präsident sich wünscht. Wenn das Präsidium in Absprache mit dem Verwaltungsrat es für gut befinden würde, daß solche Gespräche zu einem Abschluß kommen, dann würden wir das sicher tun."

Aus solchen Äußerungen zu schließen, daß das eher fußball-orientierte Präsidium dem Eishockey am liebsten den Garaus machen würde, erscheint als unbeweisbare Behauptung. Matthias Ohms ist ein nicht seltener Besucher der Bundesligaspiele in der Eissporthalle am Bornheimer Hang, weshalb man ihm auch glauben muß, daß ihm ohne Eishockey „etwas fehlen würde“. Sehr häufig zu sehen ist auch sein Stellvertreter Bernd Hölzenbein, an dem allerdings auch schon mal ein spannendes Spieldrittel unbeobachtet vorbeirauscht, wenn er im VIP-Raum einen Gesprächspartner gefunden hat, mit dem sich fachmännisch über ein so sehr viel wichtigeres Thema wie Bundesliga-Fußball parlieren läßt.

Eigentlich ist es ja auch völlig verständlich, daß der Fußball bei der Eintracht eine größere Rolle spielt als das Eishockey. Schließlich waren die Grabowski, Nickel und Hölzenbein schon UEFA-Pokalgewinner, als Eishockey in dem Multiverein kaum eine größere Rolle spielte als Basketball und Tischtennis. Inzwischen allerdings haben sich die Zeiten entscheidend geändert. Mit jeweils um die fünf Millionen Mark ist der Etat der Eishockey-Abteilung seit Jahren größer als die Budgets aller übrigen Sportarten im Verein zusammengenommen, außer dem Fußball natürlich. Doch die Repräsentanz dieser populären Sparte in den Vereinsgremien hat sich kaum geändert gegenüber den Zeiten, als die erste Mannschaft auf der offenen Eisfläche in der Radrennbahn des Waldstadions vor kaum mehr Zuschauern spielte als die Geschäftsstelle des Großvereins inzwischen Mitarbeiter hat. Wenn etwa Eissport-

Abteilungsleiter Walter Langela zu wesentlichen Punkten im Verwaltungsrat gehört wird, kommt er sich manchmal vor „wie ein Bittsteller, den man möglichst schnell abfertigt.“

Wenn man andererseits bedenkt, zu welchem Einfluß gerade Langela aufgrund seiner Kompetenz und seines Engagements innerhalb der vergangenen Monate in den Gremien des Deutschen Eishockey-Bundes gekommen ist, baut sich der Verdacht auf, daß die führenden Kräfte der Frankfurter Eintracht die Zeichen der Zeit entweder nicht erkannt haben oder sie einfach ignorieren. Die verständliche Kritik an der mangelhaften Wirtschaftlichkeit des Eishockeys, dessen „Anleihen“ am Vereinsvermögen seit dem Aufstieg in die erste Bundesliga im Jahre 1986 auf sechs bis sieben Millionen Mark geschätzt werden, steht in krassem Widerspruch zu der halbherzigen Suche nach Wegen, wie diese Wirtschaftlichkeit ohne Verlust der Konkurrenzfähigkeit erreicht werden kann.

Zuallererst fällt bei dieser Frage auf, daß die Eintracht auch heute noch nicht über ein hauptamtliches Management für seine Eishockey-Bundesligamannschaft verfügt. Dies ist um so verwunderlicher, da der Verein in seiner Geschäftsstelle am Riederwald über einen in der Fußball-Bundesliga nahezu konkurrenzlosen Mitarbeiterstab verfügt. Walter Langela selbst hatte sich vor einiger Zeit wohl bereiterklärt, den Posten eines bezahlten Eishockey-Managers zu übernehmen. Doch die Antwort von Verwaltungsrat und Präsidium fiel negativ aus. Präsident Matthias Ohms: „Ein Manager, der voll bezahlt wird, ist für unseren Haushalt nicht machbar. Die Verluste des Eishockeys tun uns so schon weh genug.“

Andererseits ist der Präsident – und sicher nicht nur er - der Meinung, „daß ein Manager nach einer Anlaufzeit von ein, zwei oder drei Jahren einiges bewegen könnte“. Gemessen an all dem, was unter der Überschrift Marketing und Promotion im Eishockeybereich bei der Frankfurter Eintracht derzeit noch unterbleibt, könnte ein halbwegs talentierter Manager vermutlich sogar Berge versetzen. Während die Eintracht bei den Zuschauerzahlen seit ihrer Zugehörigkeit zur höchsten Klasse sich im oberen Drittel bewegt, erscheinen die Beträge, die der Eishockey-Abteilung aus Sponsoring zufallen, im Vergleich zu Vereinen wie Düsseldorf, Köln und Rosenheim wie ein Trinkgeld.

Vor allem diese Tatsache ist für den Außenstehenden absolut unverständlich in einer Stadt wie Frankfurt, die sich nicht ohne Stolz und wohl auch zu Recht als deutsche Finanz-Hauptstadt versteht und in deren unmittelbarer Umgebung große, dem Sportsponsoring nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehende Unternehmen in großer Zahl angesiedelt sind. Zwar ist bekannt, daß sich selbst die Fußball-Abteilung der Eintracht in jüngster Vergangenheit vergeblich auf die Suche machte, den gestiegenen sportlichen Wert der Bundesligamannschaft als Spitzenteam und Teilnehmer am europäischen

Wettbewerb durch entsprechende Werbeverträge honorieren zu lassen. Doch im Scheitern dieses Bemühens ein „Frankfurt-spezifisches Problem“ zu sehen, wie es aus Kreisen der Vereinsführung zu hören war, entspricht wohl weniger den Tatsachen als die Ungeschicklichkeit, mit der man sich bei der Problembewältigung angestellt hat. „Wenn es uns schon im Fußball Schwierigkeiten bereitet, trotz Manager, trotz einer Werbeagentur und trotz des persönlichen Engagements aller Präsidiumsmitglieder einen unseren Vorstellungen entsprechenden Werbepartner zu finden, wie soll uns das erst für die Eishockey-Abteilung gelingen.“ Der Erklärungsversuch des Präsidenten, der beim ersten Hinhören einleuchtet, führt bei genauerer Analyse nicht an dem Verdacht vorbei, daß man sich in Sachen Werbepartner für das Eishockey entsprechenden Mühen wohl gar nicht erst unterzogen hat.

Ein anderes „Frankfurt-spezifisches Problem“, mit dem die Eishockey Eintracht den Konkurrenzkampf mit Düsseldorf, Köln oder Rosenheim nicht bestehen kann, gibt es in der Tat. Wenn ein spendierfreudiger Frankfurter, der sein Herz für die Eintracht entdeckt hat, in die eigene Geldbörse greift, so hat er damit in aller Regel die Unterstützung der Fußballmannschaft im Auge. Von dem Betrag etwa, mit dem die Rückkehr des Fußball-Nationalspielers Andreas Möller durch einen Kreis betuchter Geschäftsleute von Dortmund nach Frankfurt ermöglicht wurde, könnte die Eishockeymannschaft der Eintracht vermutlich länger als eine Saison schuldenfrei leben. So aber kann man bestenfalls davon ausgehen, daß der unendlichen Geschichte um die Finanzierbarkeit des Eintracht-Eishockeys noch einige wenige Kapitel angehängt werden - bis sie endgültig einer schönen Vergangenheit angehört.

Zunächst aber will man durchaus an einer positiven Eishockey-Zukunft basteln. Der neue Trainer Ladislav Olejnik, als Fachmann in deutschen Landen unumstritten, hat die dringend notwendige Verjüngung der Mannschaft eingeleitet. Und er hat das Team nach seinem Gusto umgestaltet. „Schönwetterspieler“ wie Uli Egen oder Jörg Hiemer, die nur hier und da einmal an ihre Leistungsgrenze gingen, hatten bei ihm keinen Platz mehr. Gesucht wurden Kämpfer, was allerdings nicht ausreichen wird, um den Erfolg zu haben, um die Popularität der Fußballer zu erreichen.

Gerhard Simon